Ein Prüfteam der Gemeindeprüfungsanstalt (gpaNRW) hat den Kreis Euskirchen jüngst unter die Lupe genommen. Dabei wurden die Themenbereiche Finanzen, Tax Compliance Management System, Informationstechnik, Hilfe zur Erziehung, Hilfe zur Pflege, Bauaufsicht, Vergabewesen sowie Verkehrsflächen mit Straßenbegleitgrün geprüft. In einer Sitzung des Rechnungsprüfungsausschusses wurden jetzt die wesentlichen Ergebnisse und Handlungsempfehlungen durch Alexander Gumnior, Thomas Malek und Christina Hasse von der gpaNRW sowie die gpa-Abteilungsleiterin Dagmar Klossow vorgestellt.
Stresstest
„Nahezu alle öffentlichen Haushalte durchleben aktuell turbulente Zeiten. Die Vielfachkrisen – Ukraine-Krieg, Inflation, Migration und Klimawandel – bedeuten einen finanziellen Stresstest für die Kommunalfinanzen. Auch der Kreis Euskirchen spürt diesen Stresstest. Umso erfreulicher ist es, dass der Kreis die letzten Jahre genutzt hat, um sein eigenes Finanzfundament und das seiner kreisangehörigen Kommunen zu stärken“, erklärt gpa-Abteilungsleiterin Dagmar Klossow anlässlich der Präsentation in Euskirchen. „Der Kreis Euskirchen erzielt im Betrachtungszeitraum 2014 bis 2020 überwiegend positive Jahresergebnisse. Er ist haushaltsrechtlich uneingeschränkt handlungsfähig. Positiv ist auch, dass sich die Haushaltssituation der kreisangehörigen Kommunen verbessert hat. Allerdings ist die Eigenkapitalausstattung des Kreises niedrig. Die Gesamtverbindlichkeiten sind überdurchschnittlich hoch. Daneben sieht die Haushaltsplanung Defizite vor. Diese Gesamtlage bringt Handlungsbedarf für den Kreis mit sich, um die Finanzsituation weiter zu optimieren“, analysiert Thomas Malek von der gpaNRW die Kreisfinanzen. Lob erfährt der Kreis für seinen geringen Umlagebedarf sowie seine eigenen Steuerungs- und Konsolidierungsmaßnahmen, mit denen bereits in den vergangenen Jahren Aufwandssteigerungen begrenzt werden konnten. Verbesserungsmöglichkeiten sieht die gpaNRW beim Fördermittelmanagement.
Als neues Themenfeld hat die gpaNRW das Tax Compliance Management System (TCMS) geprüft. Dieses dient der Überwachung und Steuerung von Steuerrisiken. Die Kreisverwaltung hat sich frühzeitig mit diesem Thema beschäftigt und grundlegende Strukturen geschaffen „Als nächste Schritte sollte der Kreis seine Risikoanalyse ausweiten, die geplante Dienstanweisung fertigstellen und ein TCMS-Handbuch etablieren“, empfiehlt Thomas Malek.
Digitalisierung
Der Kreis Euskirchen hat gute Rahmenbedingungen für eine noch digitalere Behörde gelegt und zeigt sich für kommende Anforderungen gut gerüstet, wie jetzt die gpaNRW bei ihrer Prüfung herausfand. Das gewählte Betriebsmodell gibt der Kreisverwaltung gute Möglichkeiten, die IT-Leistungen in Verbindung mit den IT-Kosten bedarfsgerecht zu steuern. „Die Chancen der Digitalisierung zu heben und seine eigene IT auf dem Stand der Zeit zu halten, ist für die Kreisverwaltung ein Marathon- und kein 100-Meter-Lauf. Deshalb sollte für den langfristigen Erfolg von laufenden und zukünftigen Digitalisierungsprojekten die Umsetzungsstrategie weiter konkretisiert und das Prozessmanagement systematisiert werden“, benennt gpa-Prüfer Alexander Gumnior zwei gpa-Handlungsempfehlungen.
Jugendhilfe
Im Aufgabenbereich der Jugendhilfe war die Hilfe zur Erziehung Gegenstand der Prüfung. Sie geht in der Regel mit hohen finanziellen Herausforderungen für die Kreisfinanzen einher. Auch im Kreis Euskirchen ist dies so. Im Zeitraum 2017 bis 2020 stiegen die Transferaufwendungen um 17 Prozent. Der Kreis Euskirchen weist im Vergleich zu den anderen Kreisen höhere Aufwendungen je Einwohner von 0 bis unter 21 Jahren auf. „Ursächlich hierfür sind eine hohe Falldichte sowie ein hoher Anteil stationärer Hilfefälle“, erläutert gpa-Abteilungsleiterin Dagmar Klossow. Positiv bewertet die gpaNRW das bereits vorhandene Finanz- und Fachcontrolling sowie die verbindlich geregelten Prozess- und Qualitätsstandards.
Hilfe zur Pflege
Das Handlungsfeld Hilfe zur Pflege ist einem enormen Veränderungsprozess ausgesetzt. Grundlegende gesetzliche Änderungen in den vergangenen Jahren, der fortschreitende demografische Wandel und der sich verschärfende Fachkräftemangel sind drei Merkmale hierfür. „Die Kreisverwaltung stellt sich den Herausforderungen und hat eine Pflegeplanung als Steuerungselement etabliert. Eine Beratung von Betroffenen und Angehörigen wird durch eigenes Personal gewährleistet. Auch sind bereits Grundlagen für ein Fach- und Finanzcontrolling vorhanden“, informiert Dagmar Klossow über die Prüfungsergebnisse. Zur Optimierung empfiehlt die Landeseinrichtung mit Sitz in Herne eine unterjährige Auswertung von steuerungsrelevanten Kennzahlen.
Bauaufsicht
Die Bauaufsicht des Kreises wurde von der gpaNRW ebenfalls in den Blick genommen. Die Bauaufsicht verfügt über einen effizienten und rechtssicheren Verfahrensablauf. Sie gewährleistet das Vier-Augen-Prinzip und hält die gesetzlichen Fristen ein. „Im interkommunalen Vergleich stellen wir eine hohe Antragsbelastung je Vollzeitstelle fest, die auch in vakanten Stellen ihre Ursache hat“, fasst gpa-Prüferin Christina Hasse einige Erkenntnisse kompakt zusammen. Die konsequente Umsetzung der digitalen Bauakte, die Ermittlung von Fallzahlen sowie die Identifizierung von Laufzeiten bei sämtlichen Genehmigungsverfahren bieten Optimierungsansätze.
Vergabewesen
„Das Vergabewesen hat der Kreis über eine zentrale Vergabestelle sowie mittels Dienstanweisung klar strukturiert und organisiert“, lobt Christina Hasse. Tatsächlich nutzt die Kreisverwaltung zur Abwicklung der Vergabeverfahren eine interne eVergabe-Akte. Verbesserungsmöglichkeiten bestehen in der Erweiterung der genutzten Vergabemanagement-Software sowie im Ausbau der bereits vorhandenen Ansätze für ein Bauinvestitionscontrolling, so die gpaNRW.
Verkehrsflächen
Die Erhaltung der Verkehrsflächen stellt viele Kommunen und Kreise vor enorme finanzielle und organisatorische Herausforderungen. Umso erfreulicher ist es, dass der Kreis Euskirchen in diesem Handlungsfeld punktet. „Um den Erhalt der Verkehrsflächen systematisch und nachhaltig steuern zu können, ist die Kreisverwaltung sehr gut aufgestellt. Sie verfügt über eine aktuelle Datenbasis in Form einer Straßendatenbank. Zustandserfassungen finden regelmäßig statt, das Aufbruchmanagement ist gut organisiert und die Reinvestitionsquote ist hoch“, lobt gpa-Prüfer Alexander Gumnior. Es ist dadurch erfreulicherweise gelungen den Bilanzwert der Verkehrsflächen seit 2018 stabil zu halten.
Bilanz
„Der Kreis Euskirchen hat seine Kreisfinanzen stets im Blick und in vielen Prüffeldern überzeugt. Belege hierfür sind die eigenen Konsolidierungsmaßnahmen und deren Erfolge. Auch zukünftig sollte der Kreis bei seinen Finanzen wachsam bleiben, um frühzeitig mit frischen Impulsen die Kreisfinanzen sicher durch unsichere Zeiten zu bringen. Wir möchten Sie ermutigen den Weg stabiler und geordneter Kreisfinanzen im Interesse zukünftiger Generationen konsequent fortzusetzen. Die gpaNRW ist Ihnen auf diesem Weg gerne mit fachlicher Expertise behilflich. Unser Prüfungsbericht ist dafür ein erster Ansatz“, hebt gpa-Abteilungsleiterin Dagmar Klossow den Nutzen der überörtlichen Prüfung hervor.
Landrat Markus Ramers erklärt abschließend zu den Ergebnissen der gpaNRW: „Der GPA-Bericht bestätigt die verantwortungsvolle Finanzstrategie des Kreises, die auch immer unsere Städte und Gemeinden in den Blick nimmt. Wir freuen uns, dass auch von unabhängiger Seite die ‚haushaltsrechtlich uneingeschränkte Handlungsfähigkeit‘ untermauert wird - Stresstest bestanden! Gerade im Zuge der Digitalisierung ist der Kreis ständig bemüht seine Dienstleistungen zum Wohle der Bürgerinnen und Bürger des Kreises zu verbessern. Hierbei bieten die Prüfungsergebnisse der GPA einen wertvollen Blick von außen. Die Hinweise zu Optimierungspotenzialen in den geprüften Themenbereichen werden daher genau unter die Lupe genommen."
Info zur gpaNRW
Die gpaNRW ist Teil der staatlichen Aufsicht des Landes über die Kommunen und wurde im Jahr 2003 gegründet. Sie hat ihren Sitz in Herne. Ihr ist durch Gesetz und Gemeindeordnung die überörtliche Prüfung aller 396 Kommunen, der 30 Kreise sowie der Städteregion Aachen, der beiden Landschaftsverbände und des Regionalverbandes Ruhr (RVR) übertragen. Seit September 2022 leitet Simone Kaspar (Stellvertreterin des Präsidenten) die Landesbehörde. Die gpaNRW veröffentlicht ihre Prüfberichte auf ihrer Homepage unter www.gpa.nrw.de